Den Hund erfolgreich sozialisieren und prägen
Durch die richtige Sozialisation und Prägung gewinnt dein Hund an Vertrauen und Selbstbewusstsein. Das fördert eine gute Bindung zwischen dir und deinem Tier und verhindert, dass der Hund übermäßig ängstlich wird.
Der Welpe ist da - nun bist du gefragt
Die ersten Lebenswochen und -monate sind für einen Hund entscheidend bezüglich der Prägung auf unterschiedliche Umweltreize. Bis etwa zum vierten, fünften Monat sollte dein Vierbeiner so viel Neues wie möglich kennenlernen und positiv abspeichern. Wenn du dein Hund bei einem guten, seriösen Züchter gekauft hast, hat dieser in Sachen Prägung und Sozialisierung bereits gute Vorarbeit geleistet.
Nun liegt es an dir, das Erlernte auszubauen. Denke aber immer daran, den Hund nicht zu überfordern. Seine Aufmerksamkeitsspanne ist noch nicht besonders groß und lange Übungseinheiten stressen ihn, sodass der Schuss auch nach hinten losgehen kann. Sollte dein Welpe sich doch einmal vor jemandem oder etwas erschrecken, tröste ihn nicht, sondern ignoriere dieses Verhalten. Zuspruch würde ihn in seinem Empfinden nur bestätigen und seine Angstgefühle steigern.
Prägung auf Personen
Schütze deinen Welpen nicht vor Neuem und schirme ihn nicht vor den Menschen ab, die ihn auch später umgeben werden: großgewachsene Männer, ältere Leute, Kinder, Menschen mit Gehbehinderungen und Menschen von unterschiedlicher Statur. Auch Personen, die aus Sicht des Hundes etwas Ungewöhnliches tragen, wie beispielsweise einen großen Hut, eine Sonnenbrille oder einen Gehstock, sollte der Hund kennenlernen. Trete souverän auf, wenn dir im Alltag eine unbekannte Person begegnet, dann nimmt dein Hund sie als selbstverständlich hin. Wenn er sich doch einmal schüchtern zeigt, versuche, das Eis mit kleinen Hilfsmitteln wie dem Lieblingsspielzeug zu brechen.
Übe auch ganz behutsam mit deinem Vierbeiner, dass Menschen körpersprachlich zum Teil völlig anders kommunizieren als es Hunde untereinander tun: Der Klassiker hierbei ist das frontale Zugehen auf den Hund mit anschließendem Tätscheln des Kopfes. In der Hundewelt wird eine frontale Begegnung als Drohgebärde bewertet und das Auflegen der Pfote (oder in dem Fall der Hand) als Dominanzgeste. Grinst der Fremde den Welpen nun auch noch breit an, ist der Hundealptraum komplett. Schließlich fletscht das Gegenüber ja die Zähne! Es ist völlig egal, wie oft du den Leuten in deiner Umgebung einbläust, dies nicht zu tun, sie werden dieses menschliche Verhalten nicht aus ihren Köpfen bekommen. Umso wichtiger ist es, den Welpen darauf vorzubereiten.
Übe zunächst selbst mit ihm, dann beziehe andere Personen ein, die dein Hund mag. Nach einigen Übungseinheiten wird dein Hund lernen, diese Gesten zu tolerieren und irgendwann lassen sich die meisten Hunde sogar auf die menschliche Körpersprache ein und stufen die genannte Mimik und Gestik als freundlich ein.
Prägung auf fremde Umgebungen
Nicht nur fremde Menschen, sondern auch eine unbekannte Umgebung kann dem Hund Angst machen. Deshalb sollte er auch auf möglichst viele Umgebungsreize geprägt werden. Fahre zum Beispiel mit dem Kleinen in den Zoo oder auf einen Bauernhof, damit er andere Tiere und fremde Gerüche kennenlernen kann. Bedenke aber, dass sich nicht jedes fremde Tier gerne auf ein Zusammentreffen mit einem Welpen einlassen möchte und schlimmstenfalls den Welpen negativ prägt. Wenn die erste Begegnung mit einer Katze mit einer blutigen Nase endet, wird dein Hund in Zukunft die Konfrontation mit anderen Katzen bestenfalls meiden - schlimmstenfalls aber auch suchen!
In der Stadt gibt es viel Neues zu entdecken: Verschiedene Böden, hupende Autos, Fahrräder, größere Menschengruppen oder vielleicht mal einen raschelnden Müllsack.
Häufig wird empfohlen, einen heranwachsenden Hund keine Treppen steigen zu lassen, da es dem Bewegungsapparat schaden soll. Sicherlich sollte dein Welpe mit seinem noch weichen Knochengerüst das Treppensteigen nicht exzessiv betreiben. Doch wenn du deinen ausgewachsenen Hund zum ersten Mal in seinem Leben an eine Treppe heranführst, kann das böse Erwachen kommen: Manche Hunde verweigern sich dann komplett und das Training zur Überwindung dieser Angst kann sehr zeitintensiv und anstrengend sein. Übe deshalb das Betreten unterschiedlich beschaffener Treppen mit deinem Welpen.
Ebenfalls sollte dein Liebling verschiedene Wetterlagen erfahren dürfen, damit du nicht später einen Hausgenossen hast, der bei Regen oder Sturm keine Pfote mehr vor die Tür setzt. Eine Ausnahme bilden hier zu starke Hitze oder eine sich in der Nähe befindende Gewitterfront. Beides würde eine physisch bzw. psychisch zu große Belastung darstellen. Selbstverständlich lässt sich dies oft nicht wirklich planen, aber das erste Gewitter gestaltest du im Optimalfall folgendermaßen: Am Besten befindest du dich bei einem herannahenden Gewitter in der vertrauten Umgebung des Welpen. Begegne Donner und Blitz mit Ruhe und zeige deinem Hund so, dass ein Gewitter nichts Besonderes ist. Ganz wichtig ist auch hier wieder, den Hund nicht zu trösten oder zu beruhigen, wenn er Angst zeigt.
Mögliche Folgen unzureichender Welpenprägung - und auswege
Es gibt sie leider, diese „Vermehrer“, bei denen Hunde alles andere als artgerecht aufwachsen. Eine reizarme Umgebung ist denkbar schlecht für junge Hunde. Wichtigste Lernprozesse in der Welpenentwicklung werden nicht gefördert und das verfolgt die armen Geschöpfe ein Leben lang. Denn die sensibelste Entwicklungsphase ist eben nun mal in der Zeit, in der der Welpe sich beim Züchter befindet. Die Welpen haben Angst, weil sie nichts gelernt haben und lernen auch nichts, weil sie Angst haben. Ein Teufelskreis. Nur mit viel Geduld und Sachverstand gelingt es erfahrenen Hundebesitzern, dass sich diese Hunde einigermaßen angstfrei im Leben bewegen können.
So kannst du deinem Hund helfen
Je nach Schwere der reizarmen Aufzucht, wirst du mehr oder weniger erfolgreich sein können. Es gibt Fälle, da tritt große Besserung ein, aber niemals wird ein selbstsicherer Hund daraus hervor gehen.
- Die größte Tugend besteht darin, großes bis grenzenloses Vertrauen zueinander aufzubauen.
- Dies erfordert unglaublich viel Geduld und Zeit. Nimm dir diese Zeit.
- Hole dir Unterstützung. Nur qualifiziertes Fachpersonal kann einen individuellen Therapieansatz erkennen und schulen. Es erkennt bei dir Fehler z.B. in der Körpersprache, die du selbst kaum wahrnimmst.
- Sprich nicht zu beruhigend auf deinen Hund ein! Anders als beim Menschen würdest du ihn ansonsten in seiner Angst bestätigen. Denn der Hund versteht nur unsere Stimmlage und würde aus dem Satz „Hab doch keine Angst mein Kleiner“ eher verstehen „Ich weiß, es ist alles so furchtbar schrecklich“.
- Sei stets umsichtig und selbstsicher. Das Schlimmste, was einem ängstlichen Hund passieren kann, ist ein unsicheres Herrchen oder Frauchen.
- Achte auf das richtige Timing beim Welpentraining.
- Je gelassener du reagierst, desto mehr hat dein Hund die Chance, die Situation als ungefährlich zu erkennen.
Die Sozialisierung beim Hund
Die Sozialisierungsphase beim Welpen
In dieser Phase finden wichtige Wachstums- und Differenzierungsprozesse im Gehirn statt und sorgen so dafür, dass sich die Neuronen im Gehirn untereinander vernetzen und der Welpe somit besser lernen kann. Ganz besonders wichtig ist es in dieser Phase, ihn weder in Watte zu packen noch zu überfordern. Biete ihm die Möglichkeit Kinder, ältere Menschen und Erwachsene kennen zu lernen oder auch Erfahrungen im Garten zu sammeln.
Besonders solltest du in dieser Phase darauf achten, dass der Welpe sich selbstständig in verschiedenen Situationen bewegen darf. Der Welpe soll lernen, Demutsgesten zu zeigen, mit Angst fertig zu werden, Aggressionen und Frustrationen abzubauen und seine Zähne dosiert einzusetzen.
Der Welpe muss lernen, sein Verhalten der Situation anzupassen
Nicht alles im Leben läuft so, wie er es wünscht und deswegen geht die Welt nicht unter. Diese Lernvorgänge sind für ihn äußerst wichtig, um im späteren Leben seine Reaktionen dem Kontext anpassen zu können. Der kleine Kampf mit seinen Geschwistern an der Futterschüssel ist für diesen Lernprozess zum Beispiel sehr zuträglich. Ein ständig reichhaltiges Futterangebot würde den Lernprozess unterbrechen.
Sozialisierung durch andere Hunde
Genauso wie Menschenkinder nach und nach unsere Lautsprache erlernen müssen, müssen Hundewelpen die innerartliche Kommunikation erlernen. Sowohl die Mutterhündin als auch die Wurfgeschwister haben einen großen Beitrag dazu geleistet, doch abgeschlossen ist der Lernprozess zum Zeitpunkt der Trennung noch nicht.
Mit friedlichen und geduldigen erwachsenen Hunden und gleichaltrigen Welpen kann sich dein Vierbeiner weiter an hündischer Kommunikation versuchen. Andere Welpen werden ihm zeigen, wann er im Spiel zu fest zugebissen hat und seine Beißhemmung fördern. Erwachsene Hunde werden ihn in seine Schranken weisen und ihm die Möglichkeit geben, unterwürfige Gesten zu proben. Hierbei ist es besonders wichtig, sozialverträgliche Partner auszuwählen, um Negativerfahrungen zu vermeiden. Einen generellen Welpenschutz gibt es entgegen weitverbreiteter Behauptungen nämlich nicht, dieser existiert nur innerhalb der eigenen Familie!
Zwischen Hunden verschiedener Rassen kommt es nicht selten zu Kommunikationsproblemen. So spielen z.B. Hütehundwelpen völlig anders als Boxerwelpen und der Boxer begreift nicht, warum ihm während eines Jagdspiels in den Hinterlauf gezwickt wird. Solchen „Missverständnissen“ sollte zwar Achtung geschenkt, der Kontakt aber deshalb nicht vermieden werden. Bring deinen Welpen ruhig mit Artgenossen verschiedener Rassen zusammen, damit er lernt, dass es Hunde gibt, die sich in ihrer Größe, Statur oder ihrem Verhaltensspektrum unterscheiden. Helfen kann dabei eine gute Welpengruppe.
Nimm dir Zeit
Bei all dem Freizeitstress, dem Welpen häufig ausgesetzt sind, wird eines gerne vergessen: Welpe und Familie müssen sich kennenlernen, um eine Bindung zueinander aufbauen zu können. Dazu sind die alltäglichen Situationen in der Regel für alle Beteiligten schon Herausforderung genug. Welpengruppen, Café und was es sonst noch so gibt, sollte da zunächst nebensächlich sein. Nur du und dein Welpe zählen und sei dir gewiss: Dein Welpe wird auch später noch lernen können Bus zu fahren. Sorge zunächst für eine gute Mensch-Hund-Beziehung. Wenn das stimmt, dann kann die Welpenerziehung anfangen.